In der Geschichte des Rundfunks finden sich zahlreiche Beispiele für einen propagandistischen Missbrauch des Massenmediums. In Deutschland sticht hierbei die Zeit des Nationalsozialismus deutlich hervor: Noch nie wurde die massenbeeinflussende Wirkung des Radios so minutiös in eine politische, verbrecherische Agenda überführt wie bei den Nationaloszialist*innen. Doch auch der Widerstand wusste das Medium zu nutzen. Unsere Kollegin und wissenschaftliche Volontärin Johanna Geßner hat ihre Geschichte zu einer der Widerstandsbiografien aufgeschrieben:

»Bei der Arbeit am Ausstellungsbereich zur Rolle des Radios im Nationalsozialismus haben mich vor allem die Schicksale der sogenannten ›Rundfunkverbrecher*innen‹ berührt. So wurden Menschen bezeichnet, die im ›Dritten Reich‹ unerlaubt Auslandssender hörten, oft mit dem Ziel, sich abseits der NS-Propaganda über den politischen Diskurs oder das Kriegsgeschehen ab 1939 zu informieren. Darauf standen Strafen wie ›Zuchthaus‹ bis hin zur Todesstrafe.

Das Bild eines dieser ›Rundfunkverbrecher‹ sticht für mich besonders hervor, auch weil sich die Recherche dazu von den übrigen Bildrecherchen der Ausstellung unterschied. Es handelt sich um das Selbstbildnis des Malers Heinrich Will. Mit Gleichgesinnten hörte dieser regelmäßig ausländische Radiosender, doch eine eingeschleuste Gestapo-Agentin verriet die Gruppe. Heinrich Will wurde wegen ›Vorbereitung zum Landesverrat‹ sowie Hörens von ›Feindsendern‹ verurteilt und 1943 hingerichtet.

Selbstbildnis Heinrich Wills, 1942; Oberhessisches Museum

Auf das Bild stieß ich während meiner Recherche zu Heinrich Wills Biografie. Als Quelle wurde dabei lediglich auf eine Publikation verwiesen, die weder im Handel noch in Bibliotheken verfügbar war. Um die notwendigen Informationen zu den Bildrechten zu erhalten, recherchierte ich zu den Autor*innen der Publikation. Weder Anfragen an den Verlag noch eine langwierige Online-Suche erbrachten den gewünschten Erfolg.

Schließlich führten Umwege zum Ziel: Ich fand heraus, dass eine Mitautorin ehrenamtlich als Beisitzerin in einem Kulturzentrum tätig war. Auch hier fehlte aber eine direkte Kontaktmöglichkeit. Mit schwacher Hoffnung schrieb ich daher dem Büro des Kulturzentrums eine Mail mit der Bitte um Vermittlung. Tatsächlich klingelte nach einigen Tagen mein Telefon. Es war die gesuchte Autorin, die sich außerordentlich über unser Ansinnen freute, das Schicksal von Heinrich Will in die Ausstellung aufzunehmen.

Auf ein kurzes erstes Telefonat folgte ein reger Austausch. Dieser fand ausnahmsweise nicht digital, sondern auf dem klassischen Postweg statt, da die 80-jährige Autorin weder über einen Computer noch über ein Mail-Postfach verfügte. Über diesen Briefwechsel gelangte ich nicht nur an die gesuchte Publikation mit dem notwendigen Bildrechtenachweis, sondern kam der Person von Heinrich Will auch auf persönlicher Ebene näher. So berichtete die Autorin, dass ihre Eltern mit der Familie Will befreundet waren und dass sie sich lange für eine Anerkennung Heinrich Wills als Widerstandskämpfer engagiert habe.

Diese fast schon intimen Einblicke unterschieden sich stark von den üblichen, eher unpersönlichen Archivrecherchen. Zudem berührt mich das Bild noch aus einem weiteren Grund: Im Gegensatz zu den Fotos der in der Ausstellung kennenzulernenden weiteren ›Rundfunkverbrecher*innen‹, handelt es sich hierbei um ein Selbstbildnis von Heinrich Will. Es entstand während seiner Haft kurz vor seiner Hinrichtung im Februar 1943.«

Johanna Geßner ist wissenschaftliche Volontärin am Museum für Kommunikation Berlin. Ihre Recherchen haben für die Ausstellung viel Sicht- und Hörbares zutage gefördert.