Was ist Radio für dich? Diese Frage stellen wir in unserer Ausstellung »ON AIR. 100 Jahre Radio« den Besucher*innen. Aber auch unter unseren Kolleg*innen wurde und wird immer wieder über die eigene Beziehung zum Medium nachgedacht. So begegneten uns sowohl während der Konzeptionsphase, als auch später, im täglichen Austausch zahlreiche persönliche Geschichten und Erinnerungen, teilweise zu Sendungen, deren letzter Ton bereits lange verhallt ist. Unsere Kollegin Katrin Lieber hat einen ganzen Tag und ein ganzes Leben mit dem Radio und seinen Programmangeboten in Ost- und später dem vereinigten Berlin aufgeschrieben:
»Ich habe in den 1970er Jahren als Kind angefangen Radio zu hören. Meine (Radio-)Tage liefen so ab: Um 7:00 Uhr morgens hörte ich im Berliner Rundfunk die Hörspielserie ›Was ist denn heut bei Findigs los?‹. Danach musste ich aus dem Bett und mich für die Schule fertig machen. Nach der Schule, am Nachmittag, hörte ich spannende Sendungen für Kinder, wobei ich beim Zuhören oft das Gefühl für Zeit und Raum verlor. Am Wochenende wurde in unserer Familie ›7–10 Sonntagmorgen in Spreeathen‹ gehört, da die Sendung interessante Themen aus verschiedenen Kiezen Ost-Berlins behandelte. Bei einer Sendung war der Reporter Peter Bosse live in unserem Wohngebiet unterwegs und hat vor Ort berichtet, da war die Aufregung natürlich besonders groß! Wir sind alle schon um 7:00 Uhr aufgestanden, um der Sendung zu lauschen und dem Reporter über die Schulter zu schauen.
Meine Mutter hat in den 1980er Jahren samstags bei der Hausarbeit immer die stets zeitgemäß auftretende Helga Hahnemann und ihre Sendung ›Helgas Top(p) Musike‹ gehört. Ich habe natürlich mitgehört. Meine Mutter schwärmte häufig von ihren Kindertagen, da sie eine Zeit lang Kindersprecherin im Rundfunk war. Sie hat uns Sprachübungen vorgemacht, worüber wir uns amüsierten. Ich kann mich auch noch an Fußballübertragungen erinnern, die mein Großvater gehört und wortreich kommentiert hat. Es war immer köstlich zuzuhören, wenn er sich beispielsweise über den Sportreporter Heinz-Florian Oertel aufregte.
Die Autorin, ihr Mann und ein JVC RC-440; alles um 1989
Natürlich habe ich als Ost-Berlinerin seit Ende der 70er am Montagabend ›Die Schlager der Woche‹ im RIAS gehört, um musikalisch international auf dem Laufenden zu sein. Die Ost-Jugendwelle DT64 war am Nachmittag wiederum bei den Hausaufgaben dabei.
Seit der Zusammenlegung der Sender ORB und SFB 1997 höre ich vor allem radioeins. Besonders gern verfolgen mein Mann und ich das Wissenschaftsmagazin ›Die Profis‹ mit Stephan Karkowsky am Samstagvormittag. Wir sind zeitlich so eingetaktet, dass wir pünktlich um 9:00 Uhr am Radio sitzen. Ansonsten läuft der Sender fast den ganzen Tag bei uns mit. Mit Spannung warten wir hier (oder bei Radio Fritz) auf die Ausstrahlung der Songs der Band ›Arionce‹, entweder bei den ›Lokalmatadoren‹ oder bei Christiane Falks Sendung ›Laut & Kantig‹. Warum? Unser Sohn ist der Sänger der Band.
Radio begleitet uns täglich mit Nachrichten und Unterhaltung bei Arbeit und Freizeit. Selbstredend baut man da zu den Radiomoderator*innen eine Verbindung auf. Wir machen dies auch abseits des Hörens: So treffen wir in Falkensee ab und zu Tom Böttcher vom ›Schönen Morgen‹ (radioeins). Mein Mann kennt und schätzt ihn auch als Stadionsprecher bei ALBA Berlin und wechselt mit ihm dann ein paar Worte über die aktuelle Saison.«
Katrin Lieber ist Grafikerin am Museum für Kommunikation Berlin. Sie sagt, dass das Radio mit seiner Vielfalt das Leben ihrer Familie ungemein bereichert.