Radio hat sich gut gehalten – und das seit über 100 Jahren. Zwar ist die ein oder andere Röhre eingestaubt, manch Lötstelle aufgebrochen oder das Duschradio hat doch zu viel Spritzwasser abbekommen. Aber das Medium ist weiterhin präsent, relevant und sichtbar, letzteres sogar in architektonischer Form.

Um erfolgreich Radio machen zu können, brauchte man schon immer eine erhebliche Infrastruktur, auch, was die Sendegebäude betrifft. Unsere Kollegin Anke Höwing, Kustodin am Sammlungsstandort Berlin, erzählt von ihrem Lieblingsobjekt, erinnert sich an einen Besuch in Nauen und berichtet von ihrer Vorliebe für Klinkerfassaden:

»Mein Lieblingsobjekt in der Ausstellung ›ON AIR‹ ist die Ansichtspostkarte mit dem Motiv des Sendegebäudes der Großfunkstelle Nauen von 1926 aus unserer Sammlung.

Die Großfunkstelle Nauen um 1926 auf einer Ansichtspostkarte; das Wasser im vorgelagerten Teich dient zur Kühlung der Technik im Inneren.

Seit meiner ersten Besichtigung des Sendegebäudes Anfang der 1990er-Jahre fasziniert mich die wunderbare Architektur von Hermann Muthesius (1861–1927). Das Sendehaus wurde nach seinen Plänen in den Jahren 1917 bis 1920 erbaut und später als ›Kathedrale der modernen Hochfrequenztechnik‹ bezeichnet. Mit seinen braunroten Klinkern im sogenannten ›Oldenburger Format‹ (220 x 105 x 52 mm) galt es als architektonisches und technisches Vorbild für moderne Industriebauten. Erstaunlich ist, dass das Gebäude trotz aller Demontagen und Zerstörungen in den Jahren nach 1945 bis heute so gut erhalten ist.

Im April 1993 fahren wir das erste Mal zum 1990 aufgelösten Funkamt Nauen der ehemaligen Deutschen Post der DDR. Wir, das sind Ingenieur*innen und Museolog*innen der Abteilung Sammlung aus dem Postmuseum Berlin, das heute das Museum für Kommunikation Berlin ist. Zweck dieser Dienstreise ist die Akquisition von Objekten, denn nach der Übernahme des Funkamts durch die Deutsche Bundespost sollten viele Sendeanlagen ›in Rente geschickt‹ werden. Zur Vorbereitung der Aufnahme interessanter Teile der noch vorhandenen DDR-Sender in unsere Sammlung fertigen wir Fotos an. Da mich die Architektur des Gebäudes besonders beeindruckt, drücke ich abseits der Objektdokumentation häufiger auf den Auslöser unserer nagelneuen Nikon F-800. Gleich nach dem Mauerfall haben wir uns mit neuester Technik ausstatten können. Dazu gehörten eine Spiegelreflexkamera mit Zubehör sowie eine Videokamera. Wir waren endlich in der Lage, unsere, in dieser Zeit des Umbruchs, sehr häufigen Objekterwerbungen zu dokumentieren. Es entstanden hunderte Fotos und etliche Videos. Sie sind heute von unschätzbarem Wert; zwar keine Profiaufnahmen, aber zur Identifizierung von Objekten in der Sammlung sehr nützlich. Neben zahlreichen Fotos unseres Besuches im Funkamt Nauen 1993 befinden sich seitdem Teile der dortigen 20kW-Kurzwellensender Nr. 12 und 13 sowie ein Antennenwahlschalter von 1965 in der Sammlung im Depot Heusenstamm bei Frankfurt – einer von drei Sammlungsstandorten der Museumsstiftung Post und Telekommunikation. Einer davon befindet sich in Berlin, wo ich tätig bin.

Dort schaue ich aus meinem Bürofenster täglich auf die rückwärtige Klinkerfassade eines anderen Industriebaus: Es handelt sich um das – ebenfalls denkmalgeschützte – ehemalige Reichspostzentralamt mit einer expressionistischen Fassadengestaltung in Klinkerbauweise. Es wurde wie das Sendehaus in Nauen in den 1920er-Jahren errichtet.«

Anke Höwing ist am Museum für Kommunikation Berlin als Kustodin für die Institutionengeschichte, das Fotoarchiv sowie den Leihverkehr am Sammlungsstandort Berlin zuständig. Ihr Foto zeigt, dass der Blick auf Klinkerwände durchaus Spaß machen kann.